(by Richie Becke)
Mein erster Besuch in der Schweiz, genauer gesagt, ins Berner Oberland, führte mich in eine der idyllischsten Landschaften, die mir auf meinen Reisen bisher begegnet ist. Berge, die dazugehörigen Täler, Seen, Schnee im Sommer, Gletscher und Hubschraubergeräusche ließen mein Herz höherschlagen. Bei genauerem Blick, wurde mir bewusst, diese Landschaft ist soweit erschlossen, wie es menschlich möglich ist. Straßen und Eisenbahnschienen bringen Menschen und Material schon ziemlich weit voran.
Modernes Hilfsmittel hierbei ist der Hubschrauber, der uns weiterbringt. Die gesamte Region ist flugtechnisch gut angebunden. Verschiedene Anbieter sichern den Transport von Material, zum Beispiel für den Bau und die Instandhaltung der Seilbahnen, der Hütten und anderer Liegenschaften. Sie bringen Touristen zu hoch gelegenen Orten, machen Rundflüge mit ihnen oder stehen für andere kommerzielle Flüge zur Verfügung.
Zu jeder Saison stehen Rettungseinsätze hoch im Kurs. Im Sommer sind es die Wanderer, im Winter die Wintersportler, die aus meist unwegsamen Gelände ins Tal und dort ins nächste Krankenhaus
geflogen werden müssen. Im Sommer überwiegen die Arbeits- und Touristenflüge, wohingegen im Winter die Rettungseinsätze das Gros ausmachen.
Nicht nur Menschen werden geflogen, auch Tiere, verletzt oder verendet, werden als Last zu Tal gebracht. Es gibt kaum eine Aufgabe, welche die Männer der drehenden Rotoren nicht erledigen
können.
Aufgrund eines netten Zufalls war es mir möglich, bei der Firma Air Glacier in Lauterbrunnen einmal hinter die Kulissen des Hubschrauberflugdienstes in der Schweiz zu schauen. Air Glaciers
besteht seit 1965 und hat sich dem Rettungseinsatz bei seiner Gründung verschrieben. Der Gründer Bruno Bagnoud und der Pilot Herrman Geiger hatten die Idee zu einem fliegenden Rettungsservice.
Die Firma betreibt sechs Basen in drei Kantonen:
Wallis: Sion, Collombey und Gampel;
Waadt: Leysin;
Bern: Lauterbrunnen und Gstaad-Saanenland.
Dabei kommen folgende Hubschraubertypen zum Einsatz: ein H135/EC135 T3 ein H135/EC135 T1 sieben H125/AS350 B3 Ecureuil vier H125/AS350 B2 Ecureuil. Auf der Basis in Lauterbrunnen werden zwei
Ecureuil und der H135/EC135 T1 eingesetzt. Der H135 steht vorrangig für Rettungseinsätze zur Verfügung. Die Ecureuil-Maschinen können aber in ca. 15 Minuten ebenfalls für Rettungseinsätze
konfiguriert werden.
Die Ecureuil, der schon 1974 Erstflug hatte, gilt als robuster, leistungsstarker, vielseitiger Hubschrauber, wie ich selbst schon bei einigen Recherchereisen erfahren und erleben durfte. Er wird,
obwohl er nur ein Triebwerk besitzt, oft in der Bergfliegerei eingesetzt. 2005 gelang mit einer AS350 B3+ eine Landung auf dem Mount Everest und 2010 gelang mit einer AS350 B3 die höchstgelegene
Rettung von Alpinisten aus 7000 Meter Höhe, ebenfalls im Himalaya.
Die Bergfliegerei verlangt Mensch und Maschinen viel ab. Die Maschinen müssen ausreichend Leistung bieten, um unter allen Umständen einen sicheren Flug gewährleisten zu können. Die Piloten benötigen für die Bergfliegerei keine besondere Ausbildung. Aber das Landen im Gebirge über 1200 Meter wird trainiert und geprüft. Erfahrung ist, wie in vielen anderen Bereichen, ein wertvoller Bestandteil der fliegerischen Fähigkeiten.
In der Schweiz gibt es 42 Landeplätze über 1200 Meter. Die Hubschrauberfirmen landen jedoch je nach Einsatz bzw. Flug auch auf nicht dafür vorgesehenen Orten, also außerhalb der Landeplätze
insbesondere bei Rettungseinsätzen.
Oder… und das war ein ganz spezielles Erlebnis, bei Einsätzen in der Landwirtschaft. Dankenswerter Weise ergab sich eine Möglichkeit die Arbeitsfliegerei in den Bergen hautnah zu erleben.
Die Almbauern mähen einige Almwiesen, mehr zur Lawinenvermeidung als zur Gewinnung vom Viehfutter. Nicht gemähte Wiesen bieten einer möglichen Schneelast eine viel glattere Ebene als gemähte
Wiesen. Auf einer nicht gemähten Wiese würde die Lawinengefahr stark ansteigen.
Nach jedem Schnitt muss das Heu ins Tal transportiert werden. Auf Almwiesen, die zu steil für Fahrzeuge sind, wird das Heu dann in große Netze gelegt und dann mit dem Hubschrauber ins Tal
geflogen.
Für jemanden aus der norddeutschen Tiefebene ein wirkliches Abenteuer, mit dem Hubschrauber auf einem kleinen Hügel in ca. 1000 Meter über dem Brienzer See zu landen. In kurzer Zeit waren die
Netze unter dem Hubschrauber eingehakt und der Pilot stürzte sich mitsamt der Ladung ins Tal zurück, das türkisfarbenen Wasser des Sees immer im Hintergrund.
Mehrere Male schwebte der Hubschrauber immer wieder über den bereitgelegten Netzen und wiederholte die spektakulären Flüge, bis das gesamte Heu im Tal angelangt war. Der Rückflug ins Lauterbrunnental führte uns noch einmal die atemberaubende Landschaft vor Augen.
Herzlichen Dank allen Beteiligten für diese besondere Erfahrung und die Zusammenarbeit.